Muslime haben es gut, die müssen nur nach Mekka. Doch auch Anders- und Ungläubige brauchen ein Lebensziel, und weil der Mensch nun mal auf dem Weg nach oben ist und der Weltraumtourismus einfach nicht in die Puschen kommt, heißt die Zwischenstation zu Himmel, Hölle oder Nichts Mount Everest.
Tausende waren schon auf dem höchsten Berg der Erde, nur ein Fünftel allerdings schafft es auch auf dessen höchsten Punkt. Mehr als 200 tiefgefrorene Leichen säumen die letzten Etappen unter dem Gipfel der Gipfel, doch die Gefahr, für den Superlativ das Leben zu riskieren, macht auch den Reiz aus, schließlich wollen die Bezwinger nicht nur Berg und inneren Schweinehund unter sich lassen, sondern auch die Masse der Restmenschheit.
Was auch immer sich diese Wahnsinnigen beweisen wollen, die Tausende Euro in den Aufstieg ihres Lebens investieren, ihr Gepäck von everestgestählten Nepalesen tragen lassen und statt dünner Himalayaluft reinsten Flaschensauerstoff atmen, nun wurden sie vom Wettergott auf die Probe gestellt. Er ließ sie nicht mehr weg aus dem Himalaya, das Dach Gottes wurde zum Knast, und fünf Tage lang hingen 2500 Gipfelstürmer auf einem winzigen Flughafen in Nepal fest, konnten weder hoch noch runter.
Wer ganz nach oben will, hat für widrige Umstände nicht viel übrig, das gilt für abgedrehte Bergsteiger ebenso wie für Aufsteiger der anderen Art. Was im Weg steht, wird weggeräumt oder schlicht ignoriert, seien es nervige Mitkonkurrenten, unpassende Gesetze oder die eigene Familie, die um Aufmerksamkeit buhlt.
Wenn so ein Aufsteiger nun plötzlich ausgebremst wird, auf einem Flughafen im Himalayanebel hängt, der Gipfel so nah und doch unerreichbar, wird vielleicht auch ihm in einem Moment der Langeweile plötzlich klar, dass es anderen ständig so geht. Dass Milliarden Menschen gar nicht ganz nach oben wollen, sondern einfach nur irgendwo hin. Und dass die ständig von unüberwindbaren Widrigkeiten ausgebremst werden in ihrem Wunsch, eine Arbeit zu finden, sich ein Auto zu leisten, einen Fernseher, ein Dach über dem Kopf, einen Teller voll Essen, ein Glas Wasser. Oder einfach nur zu überleben.
Ist der stets nach oben strebende Mensch soweit gekommen, hat er zwei Möglichkeiten vor sich. Entweder er wird vernünftig und entdeckt die echte Füllung des Lebens. Oder er dreht total am Rad auf der Suche nach dem nächsten Kick. Und landet demnächst mit einem Hubschrauber in Mogadischu, ganz ohne Gepäck. Um mal zu gucken, wie das so ist, so ganz, ganz unten.